Die Krise der menschlichen Natur
Neben seinen politischeren Arbeiten hat Rolf Peter Sieferle auch ein umfangreiches wissenschaftliches Werk hinterlassen. Zu den wichtigsten Arbeiten aus seiner Feder gehören die hier in einem Band zusammengestellten Bücher Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt sowie Die Krise der menschlichen Natur.
Das die beiden Titel verbindende Thema ist jene große Transformation, die seit dem 18. Jahrhundert zur Ablösung des älteren – von der christlichen Religion wie dem Erbe der Antike – bestimmten Weltbildes durch ein neues führte. Zwar brach die Aufklärung mit den traditionellen Weltbildern fundamental, behielt jedoch die in ihnen teils präsente Vorstellung eines sich selbst regulierenden Gleichgewichts der Natur bei.
Erst am Beginn des 19. Jahrhunderts wuchsen Zweifel an diesem Modell der »harmonischen Natur«. Der »Malthusianismus« mit seiner Angst vor den Folgen einer Überbevölkerung war insofern symptomatisch. Allerdings konnte sich sein pessimistisches Deutungsmuster nicht gegen die optimistischen des Liberalismus wie des Sozialismus durchsetzen. Beide kehrten zu einem harmonischen Naturbild zurück, verknüpften es aber wirkungsvoll mit der Erwartung unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums und fortschreitender Weltverbesserung.
Gleichwohl deutlich wird, daß sich vielmehr ein Prozeß evolutionärer Selbstorganisation durchsetzt, in dem der Hang zur Autodestruktion angelegt ist, an dessen Ende ein normativer Identitätsverlust der betroffenen Zivilisation stehen könnte.
Nachdem der Gedanke einer göttlichen Providenz ebenso ridikülisiert wurde wie die Fortschrittsmythen des 19. Jahrhunderts und heutzutage die sozialistische Planwirtschaft, blieb die marktwirtschaftliche Ökonomie scheinbar die letzte Bastion des Glaubens an eine natürliche, harmonische und gleichgewichtige Ordnung. Die Umweltkrise hat auch diesem Glauben heftige Schläge versetzt, die ihn stark ins Wanken brachten. Es gibt kein harmonisches Gleichgewicht von »Natur« und »Ökonomie« mehr, sondern auch innenökonomisch steht fest, daß Natur als externe, »politische« Vorgabe ökonomisch repräsentiert werden muß.
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